Das Graduiertenkolleg "Infrastruktur für den elektronischen Markt" an der Technischen Universität Darmstadt Die Einrichtung des Graduiertenkollegs "Infrastruktur für den elektronischen Markt" der Technischen Universität Darmstadt begann im Oktober 1998; nach Besetzung aller Stellen konnte es bereits im Februar 1999 seine Arbeit voll aufnehmen. Am Kolleg sind zehn Fachgebiete aus den Bereichen Informatik sowie Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften beteiligt, wobei der Schwerpunkt im Bereich der Informationstechnologie liegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Institution durch die Bereitstellung einer halben Million Mark jährlich, wovon derzeit neun Doktoranden sowie eine Postdoktorandin finanziert werden. Auch eine Reihe von Firmen hat eine Zusammenarbeit mit dem neuen Graduiertenkolleg sowie eine Förderung der beteiligten Stipendiaten zugesagt, so daß bereits ab Oktober 1999 weitere Doktorandenstipendien bereitstehen. Arbeitsthema des Kollegs ist die derzeit im Entstehen begriffene Infrastruktur für den "Electronic Commerce". In diesem Zusammenhang sind grundlegende Aspekte wie die Sicherheit von Verfahren, die Qualität und Effektivität von Diensten, die Effizienz der Verarbeitung sowie die Rechtsverbindlichkeit von Handlungen bei Verwaltungsabläufen zwischen den beteiligten Instanzen von grundsätzlicher und übergeordneter Bedeutung und legen eine langfristig konzipierte und interdisziplinär ausgerichtete Beschäftigung mit diesem Thema nahe. Daher wird sowohl im Studienprogramm als auch im dazu komplementären Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs neben einer Fundierung innerhalb der Informationstechnologie besonders auf eine interdisziplinäre Behandlung des Themas Wert gelegt. Im Studienprogramm werden (u.a. im Rahmen einer Vorlesung "Electronic Commerce" sowie Seminaren und Kolloquiumsreihen unter Beteiligung von qualifizierten Dozenten aus Wirtschaftsunternehmen) neben spezialisierten Aspekten der Informationstechnologie auch andere maßgebliche Gebiete behandelt. Zu diesen gehören gesetzliche und rechtliche Fragen, soziale Aspekte, Informationssicherheit, ökonomische Aspekte sowie Arbeits- und Organisationsstrukturen. Eher ungewöhnlich für ein Graduiertenkolleg ist, daß die Doktoranden neben der auf drei Jahre angelegten Promotion noch an einem gemeinsam mit Wirtschaftsunternehmen gestalteten mehrwöchigen Praktikum teilnehmen werden. Während im Studienprogramm die eher etablierten Aspekte und Grundlagen der Infrastruktur für den elektronischen Markt behandelt werden, setzen sich die Doktoranden und beteiligten Wissenschaftler im Forschungsprogramm mit spezifischeren Aspekten und neuen Ansätzen auseinander. Das Themenspektrum reicht hier von theoretischen Modellen und systemtechnischen Grundlagen über anwendungsnahe Technologien bis hin zur Charakterisierung und Analyse der Auswirkungen. So werden im Rahmen der Grundlagendiskussion Aspekte der Architektur dezentraler Systeme, deren Skalierbarkeit, Robustheit und Effizienz sowie Basismechanismen für Interoperabilität behandelt. Weitere Themen sind die Internet-Anbindung von Datenbanken, Abrechnungsverfahren für heterogene Kommunikationsdienste, neue Kryptographieverfahren und die Einbindung von mobilen Endgeräten. Zu den anwendungsnahen Technologien des Forschungsprogramms zählen Data Warehousing und Data Mining, adaptive Benutzerumgebungen, Software für die Unterstützung von Gruppenarbeit sowie Werkzeuge für die Bearbeitung von multimedialen Dokumenten und Workflow Management Systeme. Zu den typischen Anwendungsfeldern gehören beispielsweise virtuelle Supermärkte sowie Verfahren zur Unterstützung von Anbietern und Kunden bei Geschäftsvorgängen im WWW und Internet. Die Konsequenzen des elektronischen Handels werden schließlich in ökonomischer, rechtlicher und soziologischer Hinsicht untersucht und umfassen die Analyse und Modellierung von Wirtschaftsräumen unter den Auswirkungen des elektronischen Handels, die rechtliche Infrastruktur für den elektronischen Markt und die Veränderungen in Unternehmensorganisation, Arbeitstätigkeit und Arbeitsmärkten bei der "Elektronifizierung" der Märkte. Obwohl Studienabgänger mit Informatik-Kenntnissen auf dem Arbeitsmarkt derzeit äußerst gefragt sind und das Anfangsgehalt in der Industrie die Stipendiensätze weit übertrifft, ist das Thema offenbar so attraktiv, daß mehr als fünf Mal so viele Bewerbungen eingingen als Promotionsstipendien vorhanden waren. Dies ist erfreulich, da es dadurch möglich ist, ausgewählte Personen in einem Postgraduierten-Programm auf hohem wissenschaftlichen Niveau weiterzuqualifizieren. Das so erworbene Wissen um die Breite des Querschnittsthemas sollte dann die fundierte Beurteilung der vielfältigen wirtschaftlich und gesellschaftlich relevanten Aspekte des Electronic Commerce ermöglichen; tatsächlich sind die Initiatoren des Graduiertenkollegs davon überzeugt, daß von Wirtschaftsunternehmen neben spezialisierten Fachleuten zunehmend auch auf wissenschaftlichem Niveau ausgebildete Personen benötigt werden, die außer der genauen Kenntnis des eigenen Fachgebiets auch ein Verständnis für die ganze Breite des Themas erworben haben und das gesamte Gebiet in seinen Konsequenzen einschätzen können. Die Absolventen dürften daher auch allerbeste Berufsaussichten haben. Das Graduiertenkolleg ist mit einer Perspektive von zunächst zehn Jahren angelegt und soll in nächster Zeit insbesondere hinsichtlich der wirtschaftswissenschaftlichen Kompetenz verstärkt werden. Darmstadt bietet aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Frankfurt als Handels- und Bankenzentrum, den beiden stark nachgefragten Studiengängen Informatik und Wirtschaftsinformatik der TU Darmstadt aber auch aufgrund der vielen in Darmstadt und Umgebung angesiedelten Softwareunternehmen und informationstechnischen Forschungsinstitute gute Voraussetzungen für eine fundierte Bearbeitung des gesamten Themenspektrums. Sprecher des Graduiertenkollegs sind A. Buchmann (Datenverwaltungssysteme) und F. Mattern (Verteilte Systeme); getragen wird das Kolleg derzeit ferner von den Professoren J. Buchmann (Theoretische Informatik), J. Encarnação (Graphisch-Interaktive Systeme), H.J. Hoffmann (Programmiersprachen und Übersetzer), E. Neuhold (Integrierte Publikations- und Informationssysteme), E. Ortner (Wirtschaftsinformatik), A. Roßnagel (Universität Gesamthochschule Kassel: Öffentliches Recht), R. Schmiede (Soziologie) und R. Steinmetz (Industrielle Prozeß- und Systemkommunikation). Weitere Informationen zum Graduiertenkolleg sind im Internet unter www.informatik.tu-darmstadt.de/GK/ zu finden. F. Mattern, Fachbereich Informatik, TU Darmstadt